AUSGABE 157 (Zorniger Osten? Was der Westen nicht versteht)

Shownotes

Ein Festival der Floskeln und Platitüden, erleben wir in vielen politischen Wahlanalysen zu Thüringen und Sachsen. Das meint Markus Lanz und was denkt Richard David Precht dazu? Ausgangspunkt für dessen Überlegungen sind die unterschiedlichen Entwicklungen, die die beiden Gesellschaften in Ost- und Westdeutschland nach 1945 genommen haben. Während sich Westdeutschland immer mehr dem Westen und den USA annäherte, blieben ganz andere Idee und Alltagskulturen in der DDR erhalten und wurden dort Identitätsstiftend. 1990 wurde diese ungleiche Entwicklung wiedervereint - mit Unterschieden, die bis heute spürbar sind.

Transkript anzeigen

00:00:00: [Musik]

00:00:19: Schönen guten Morgen Richard. Guten Morgen Markus.

00:00:22: Ich erreichle dich. Wieder in der Keminat am alten Ort.

00:00:26: Sehr gut. Und es war ein bewegtes Wochenende, Richard.

00:00:29: Eines über das man lange sprechen wird. Das hatten wir irgendwie kommen sehen.

00:00:33: Es hat auch nicht der Osten gewählt. Es haben Thüringen und Sachsen gewählt.

00:00:39: Und ich habe dieser Tage Anne Hennig schon eine Grüße an der Stelle,

00:00:44: Kollegin von der Zeit, die ich sehr schätze, weil sie immer so nüchtern distanziert,

00:00:49: die Dinge beleuchtet und betrachtet, selber in Freiberg, glaube ich, geboren und aufgewachsen.

00:00:55: Die schrieb dieser Tage auch in den Redaktionen US-amerikanischer,

00:00:59: Japanischer und australischer Medien, wird man nun das Ö in der Tastatur suchen,

00:01:06: das Ö um den Namen Höcke richtig zu schreiben.

00:01:10: Genau. Und nicht um den Namen Söder richtig zu schreiben.

00:01:13: [Lachen]

00:01:15: Das ist nicht wahr. Kann aber noch kommen. So wie er sich gerade aufstellt.

00:01:19: Deswegen lohnt sich das Ö vielleicht.

00:01:22: Genau. Ich kaufe ein Ö.

00:01:24: Man hat beim Luchsrad früher nie einer gemacht.

00:01:26: Aber jetzt kaufen wir alle ein Ö.

00:01:28: Richard, im Ernst jetzt gibt es viel zu besprechen.

00:01:30: Es ist auch schon viel, viel besprochen worden.

00:01:32: Ein Festival der Floskeln und Platytüden zum Teil auch wieder.

00:01:37: Zum Teil ein paar sehr interessante Analysen gehört.

00:01:39: Was geht dir durch den Kopf, Richard?

00:01:41: Was ist das, was dich nach diesem Wochenende am meisten bewegt?

00:01:45: Also erstmal muss man ja einfach sagen, man kann nicht so tun,

00:01:49: als sei das Ergebnis überraschend.

00:01:51: Weil es hat sich doch sehr genau mit den Meinungsumfragen vorher gedeckt.

00:01:55: Und diese Meinungsumfragen haben sich auch nie wesentlich verändert.

00:01:58: Was interessant ist, ne?

00:02:00: Es war über viele Monate entlang sehr konstant.

00:02:02: Und am Ende ist genau das Ergebnis rausgekommen,

00:02:04: womit alle gerechnet haben.

00:02:06: Insofern war das jetzt für mich jetzt nicht so ein riesiges Aha-Erlebnis.

00:02:10: Darf ich, Richard, darf ich einmal ganz kurz nur dazwischen?

00:02:13: Ich sage deswegen gerade, was interessant ist, Meinungsumfragen.

00:02:17: Wenn du dich erinnerst, es gab Jahre, es gab Zeit, und ich kenne das auch aus Amerika,

00:02:21: da hat man sozusagen nur hinter vorgehaltene Hand im Grunde gesagt,

00:02:25: was auf ich werde beim nächsten Mal Trump wählen, oder ich werde AfD wählen,

00:02:29: ich werde andere noch deutlich extremere Parteien wählen.

00:02:33: Deswegen waren die Meinungsumfragen im Vorfeld häufig relativ unzuverlässig.

00:02:38: Das stimmt.

00:02:39: Mittlerweile hat man offenbar kein Problem mehr damit, auch in einer Umfrage,

00:02:44: wenn ich jemand anrufe, sehr offen zu sagen, ja klar, ich wähle AfD.

00:02:48: Ja, jedenfalls nicht in Thüringen und in Sachsen.

00:02:50: Genau.

00:02:51: In Thüringen, wo die AfD stärkste Partei ist, und in Sachsen zweitstärkste Partei.

00:02:55: Also da ist das selbstbewusstsein auf jeden Fall da.

00:02:58: Also ich war vor einiger Zeit, also vor einigen Wochen in Österreich wandern,

00:03:03: und dort kam mir jemand entgegen, der mich dann ansprach und mich kannte,

00:03:10: und mir da in kürzester Zeit sein Weltbild erzählte.

00:03:14: Und er kam aus dem Osten und erzählt ja dann relativ stolz und klar,

00:03:18: dass er AfD wählt.

00:03:20: Und ob ich mal Lust hätte zuzuhören, warum?

00:03:23: Ich hatte jetzt gar nicht so richtig große Lust, in dem Moment dazu zuzuhören.

00:03:28: Wir waren also schon einige Stunden gewandert, und ich war mit einem Freund zusammen unterwegs,

00:03:32: aber ich habe zumindest ein wenig zugehört.

00:03:34: Und die wichtigste Ponte, was er mir rüberbringen wollte, war zu sagen,

00:03:38: ich bin kein Protestwähler.

00:03:41: Ihr Wessis guckt immer auf den Osten und sagt, die wählen alle aus Protester, AfD.

00:03:46: Nein, er wähle aus tiefer Überzeugung AfD.

00:03:50: Und das, was er mir erzählte, singemäß zusammengefasst,

00:03:55: war schon etwas, was ich eigentlich auch selber schon ein paar Mal gesagt habe,

00:03:59: und auch so ähnlich gedacht habe.

00:04:01: Und zwar, wenn man dieses Grundmotiv, dann gibt es ja viele Motive,

00:04:06: man muss auch sagen, im Osten eben ganz viele verschiedene Leute und keiner ist genau wie der andere.

00:04:11: Also wenn man diese im Augenblick so beliebte Ostherme Neutik betreibt, also auszudeuten,

00:04:17: was der Ossi so denkt, natürlich sagen, dass der Ossi nicht genau das Gleiche denkt wie der andere,

00:04:23: Ossi genau wie der Wessi nicht dasselbe denkt wie der andere Wessi.

00:04:26: Schön, muss er ja mal kurz, "Ostherme Neutik".

00:04:29: Ja, also Hermeneutik ist ja die Interpretationsthere,

00:04:32: in der man ganz viele einzelne Phänomene untersucht, um daraus allgemeine Schlüsse zu ziehen

00:04:37: und diese allgemeinen Schlüsse dann wieder an den Einzelphänomen überprüft.

00:04:42: Geht auf Gardermann zurück, 50er, 60er Jahre.

00:04:47: Ursprünglich eine Methode aus der Theologie übrigens, von Schleiermacher,

00:04:50: hat eine ganz lange Geschichte, also Ostherme Neutik,

00:04:53: ausdeuten der Phänomene, um allgemeine Schlussfolgerungen zu ziehen.

00:04:57: Das ist das, was ja ganz viele machen.

00:04:59: Und jeder hat so seine eigene Theose, warum der Osten anders tickt als der Westen

00:05:03: und warum dort viele Menschen AfD werden.

00:05:06: Und ich denke so, wenn man das so zusammenführt und sich überlegt,

00:05:09: was ist so aus meiner Sicht die stärkste Motivation, der stärkste Strang,

00:05:14: das größte Allgemeine in dem Glanz, in dem Ganzen.

00:05:18: Also mathematisch ausgedrückt, das KGV, das kleinste gemeinschaftliche Vielfacher.

00:05:25: Entschuldigung, ich dachte jetzt an das Großgewinnverhältnis.

00:05:28: Kann ich auch.

00:05:30: Naja, jedenfalls also überlegen, was hat das alles vielleicht gemein.

00:05:34: Und gemein würde ich die Geschichte mal so erzählen.

00:05:37: Als 89 die Mauer fiel, hat sich sicherlich der größere Teil,

00:05:41: nicht alle Menschen im Osten, sehr darüber gefreut,

00:05:44: und hatte gehofft, in ein Deutschland zu kommen,

00:05:46: dass schon ähnlich ist, wie die DDR war,

00:05:49: aber vor allen Dingen mit deutlich gefüllteren Warenregalen,

00:05:53: sehr viel mehr Freiheit und weniger Stasi.

00:05:56: Wobei ich sogar glaube, dass die Warenregale, selbst wenn man das oft zynisch empfindet,

00:06:00: aber das sozusagen, wenn man dem Menschen sprach,

00:06:03: immer das, was ihnen als erstes einfiel.

00:06:05: Also man wollte den wirtschaftlichen Erfolg des Westens haben.

00:06:08: Und natürlich gab es die ganzen Schattenseiten der DDR-Diktatur,

00:06:12: die waren für manche stark spürbar, für andere gar nicht,

00:06:15: oder bedeuteten ihnen nicht viel.

00:06:18: Aber auf jeden Fall hat man die freiheitlichere Bundesrepublik

00:06:21: und vor allem wirtschaftlich erfolgreichere Bundesrepublik großartig.

00:06:24: Was man nicht mitbekommen hatte, verständlicherweise,

00:06:27: eine Abgesehrung davon, dass es ja so rücker Regionen in der DDR gegeben hatte,

00:06:31: die kein Westfernsehen empfangen konnten,

00:06:33: dass sich inzwischen die Bundesrepublik sehr stark verändert hatte, gegenüber 49.

00:06:40: Die Bundesrepublik war nur noch zu einem sehr kleinen Teil Deutschland.

00:06:46: Die Bundesrepublik ist ein Land, das eine atemberaubende Transformation hingelegt hat,

00:06:51: vom 3. Reich bis zur Zeit von 89.

00:06:55: Und zwar ist das Land enorm verwestlicht worden.

00:06:59: Deutschland war ja früher kein westliches Land,

00:07:02: verstand sich als Mitteldeutschland und nicht als Teil des Westens,

00:07:06: also nicht zugehörig zu England, Frankreich und schon gar nicht zu den USA.

00:07:10: Und die Bundesrepublik hat sich in sehr, sehr kurzer Zeit an den Westen asimiliert.

00:07:14: Hollywoodfilme, Jeans, Coca-Cola, vieles von dem, was man im Osten auch gerne haben wollte

00:07:21: und so vielleicht ein bisschen nachgemacht hat oder nur einen kleinen Dosen hatte,

00:07:24: aber was in der Bundesrepublik enorme kulturelle Veränderungen ausgelöst hat.

00:07:28: Man denkt an die Musik, die sich radikal verändert hat,

00:07:31: nach angloamerikanischem Vorbild und, und, und, und.

00:07:34: Der zweite große Einfluss war, man konnte in Urlaub fahren nach Frankreich,

00:07:37: noch mehr dann nach Italien.

00:07:40: Ja, man, man schätzte an der Lebensart sehr vieles.

00:07:44: Man hatte lange Probleme, wenn die Leute aus dem Süden zu uns kamen,

00:07:47: Italiener erst abgelehnt, mit allen der denklichen Schimpfwörtern überzogen,

00:07:51: aber irgendwann, 1989, gab es diese Schimpfwörtern nicht mehr.

00:07:55: Sie waren eine Teil unserer Kultur geworden.

00:07:57: Wir waren in Europa angekommen und wir waren im Westen angekommen.

00:08:01: Und all diese Prozesse haben sich in dieser Form in der DDR nur in kleinen Dosen abgespielt.

00:08:07: Das heißt, in der DDR war das alte Deutschland erhalten geblieben.

00:08:11: Und jetzt muss man sehr vorsichtig sein.

00:08:13: Was ist das alte Deutschland, wenn ich dann höre hier mit Hitler und Führerfiguren,

00:08:17: das alte Deutschland fängt ja viel eher an.

00:08:19: Das alte Deutschland fängt in Preußen an.

00:08:22: Und die DDR war größtenteils ja eben zum, zum erheblichen Gebiet davon,

00:08:27: nicht der Süden, aber die anderen Gebiete eben Preußen.

00:08:30: Und Preußen, Drittes Reich, DDR, in all dem gab es bestimmte Kontinuitäten.

00:08:36: Zum Beispiel in Respekt vor Autoritäten, die Angst vor der Polizei,

00:08:41: der Obrigkeitsstaat, Law and Order, geringe Kriminalität.

00:08:45: Das Gefühl, das Leben wird schon sehr weitgehend für eingeregelt.

00:08:50: Ganz wenige Ausländer und die in der DDR da waren, die aus Kuba kamen

00:08:55: oder aus Angola oder aus Vietnam, die waren mehr oder weniger krassehniert.

00:09:02: Die vielen im Stadtbild eigentlich überhaupt nicht auf.

00:09:05: In Universitäten konnte man sie vielleicht sehen, die die da studierten.

00:09:09: Und hier anderen hat man in den Werken gesehen und abends hat man mit ihnen nichts gemacht.

00:09:13: Das heißt, die waren überhaupt gar kein Teil der DDR-Kultur.

00:09:16: Und dadurch konnte das alte Deutschland überleben.

00:09:19: Und wenn man das experimentell mal nachzeichnen will,

00:09:22: und ich mache das sehr gerne und sehr oft, von Berlin mit dem Fahrrad nach Osten fahren,

00:09:26: zum Beispiel nach Straußberg zu fahren und dann durch Rehefelde zu fahren oder nach Bukko,

00:09:32: dann hat man plötzlich das Gefühl, man macht eine Zeitreise.

00:09:35: Man ist wieder irgendwo in einem alten Deutschland, also eine Mischung aus Preußen, DDR, Drittes Reich.

00:09:43: Dass man immer noch das Gefühl hat, hier ist irgendeine deutsche Kontinuität übrig geblieben.

00:09:48: Indem was die Leute essen, in der Ausflugsgastronomie, indem wie die Leute reden,

00:09:53: indem wie es da aussieht, ja, auch sehr oft noch, selenminisch.

00:09:57: Und das alles hat so eine deutsche Kontinuität.

00:10:01: Wenn ich mich, Westdeutsch, frage an, was war Deutsch in meiner Kindheit,

00:10:06: dann fallen mir noch die 60er Jahre ein. Die in den 70er Jahren noch ein bisschen Eckkneifen.

00:10:12: Das war Deutsch, dass die Männer dann nach dem Kirchgang,

00:10:17: oder die, die nicht dort hingegen, anschließend in klaren Tranken in der Eckkneife

00:10:22: und irgendwann kam auch die Spielautomaten dazu.

00:10:25: Bestimmte Gerichte, die da auf der Karte standen, die es heute nur noch sehr, sehr vereinzelt und sehr selten gibt,

00:10:30: und ich auch nicht mehr schmecken wahrscheinlich, wie sie früher geschmeckt haben.

00:10:33: Das alte Deutschland ist irgendwo rausgewachsen.

00:10:37: Und ich glaube, dass es in der DDR erhalten geblieben ist,

00:10:42: und dass die Leute auch stolz darauf sind, dass diese Identität für sie wichtig ist, dass sie deutsche sind.

00:10:47: Viel wichtiger, als es im Westen war.

00:10:50: Und früher war man ja auch deutscher Zweiterklasse.

00:10:52: Wenn man in Urlaub gefahren ist nach Ungarn, dann wurde als erstes gefragt,

00:10:55: oder in Bulgarien, Ostdeutschland oder Westdeutschland.

00:10:58: Ja, und wenn es dies Ostdeutschland, dann fiel die Kindlade runter.

00:11:02: Man wurde nicht bevorzugt behandelt, weil man keine D-Mark bei sich trug.

00:11:05: Jetzt war man endlich vollwertiger Deutsche, war in einem großen Deutschland in alten Formen wieder da

00:11:12: und wurde jetzt in dem Land A. als Deutschland nicht richtig ernst genommen.

00:11:16: Man war eher aussieh, als dass man deutscher war.

00:11:18: Man musste also jetzt sich von den Leuten im Westen erzählen lassen, was Deutsch ist.

00:11:23: Und man hatte diesen ganzen Transformationsprozess bis dahin gar nicht mitgemacht

00:11:27: und wollte auch nicht ganz so viel davon wissen, zumindest die Eltern nicht.

00:11:31: Die, was davon wissen wollten, haben den Osten weitgehend verlassen.

00:11:35: Und die, die nicht so viel davon wissen wollten, sind überwiegend geblieben.

00:11:39: Und da darf man sich nicht wundern, dass auch so lange nach der Wiedervereinigung

00:11:43: viele Menschen im Osten die Welt anders sehen als im Westen.

00:11:47: Zwei Dinge, Richard.

00:11:49: Ich hatte letzte Woche ein sehr interessantes Gespräch unter anderem mit Dirk Oschmann,

00:11:53: der Literaturprofessor aus Leipzig, glaube ich, den ich sehr schätze,

00:11:58: der dieses Buch geschrieben hat, der Osten, eine Erfindung des Westens sozusagen,

00:12:03: oder eine westdeutsche Erfindung.

00:12:05: Und der in der Sendung sagte, liebe Grüße übrigens an der Stelle,

00:12:10: der Osten war, der bestraft worden ist für Nazi Deutschland nach 45.

00:12:19: Der Westen hatte das sozusagen nach ein paar Jahren abgearbeitet,

00:12:23: aber der Osten ist bestraft worden.

00:12:25: Der hat erst mal, der abgearbeitete ist gut, also wirtschaftlich abgearbeitet.

00:12:29: Ja, das meine ich damit ja.

00:12:30: Wir sind also über große Verlierer zum großen Gewinner geworden im Westen.

00:12:32: Ja, genau, genau.

00:12:33: Die Neidlich hat man erst gar nichts abgearbeitet, da hat man erst viel später mit angefangen.

00:12:36: Übrigens auch noch wichtig hat, nur als kurze Ergänzung.

00:12:39: Der Westen hatte 68.

00:12:41: Ja, und in der DDR ist 68 kaum unter in homöopathischer Dosis zugelassen worden.

00:12:47: Das heißt also eine kulturelle Verjüngung und Erneuerung der Gesellschaft,

00:12:51: die in der DDR nicht stattfinden durfte.

00:12:54: Das sind nur als wichtige Ergänzungen.

00:12:56: Genau, und wir haben uns in der Sendung und auch nach der Sendung nochmal drüber unterhalten.

00:13:01: Weißt du, was mich mittlerweile am meisten stört,

00:13:04: und das hat auch was zu tun mit vielen Reisen nach nicht nur Ostdeutschland,

00:13:08: sondern auch Osteuropa, die ich so in der Zwischenzeit gemacht habe.

00:13:11: Und das hat diese Begegnungen, die man dort hatte, die ich dort hatte.

00:13:15: Und zwar egal wo, ob in Polen oder auch in der Slowakai oder in Moldau

00:13:22: oder auch in der Ukraine beispielsweise, Rumänien, Bulgarien.

00:13:26: Ich kenne das alles so ein bisschen.

00:13:28: Aber ich hatte das Glück, ein paar interessante Gesprächspartner immer wieder zu treffen.

00:13:32: Und mir geht es da so wie dir.

00:13:34: Ich fahre da wahnsinnig gerne hin, weil ich jetzt immer wie so eine Zeitreise erlebe.

00:13:40: Und natürlich könnte man sagen, auch wenn du was, was ich,

00:13:43: du fährst in ein Land wie Transnistrie beispielsweise,

00:13:46: dass sich als eigenes Land begreift, aber in Wahrheit eigentlich so ein Plastikland ist,

00:13:50: so ein Disneyland für Kommunismus, wenn man so will.

00:13:54: Das ist wie so eine eingefrorene Sowjetunion, wenn du da bist.

00:13:57: A Jurassic Park des Kommunismus.

00:13:59: Ja, dieser kleine Streifen, auch einer dieser vielen berühmten eingefrorenen Konflikte,

00:14:04: dieser kleine Streifen, der sozusagen Moldau von der Ukraine trennt und wo nie klar ist,

00:14:09: welches Spiel da die Russen eigentlich wirklich spielen.

00:14:11: Nur auch wenn du da bist, es ist wahnsinnig faszinierend,

00:14:14: weil geschichtlich, unheimlich lehrreich, weil du plötzlich vieles über Architektur verstehst,

00:14:18: weil du merkst, dass die Architektur, die Produkte, die Art zu leben, die kulturelle Prägung,

00:14:24: all diese Dinge machen ja was mit Menschen.

00:14:27: Und dann erlebst du, wenn du offen bist, einen ganz anderen Blick aufs Leben.

00:14:32: Und was ich mit Dirk Oschmann ausgetauscht habe, war so die Frage,

00:14:36: das wird immer so als harter Gegensatz aufgebaut, ja, Ost gegen West,

00:14:41: und dann sagt man, ja, und die sind anders, und das wird dann als Problem beschrieben.

00:14:45: Genau, und der Osten ist das Problem.

00:14:47: Genau, der Ostens heißt verständlich das Problem.

00:14:49: Der Westen ist Normalität.

00:14:51: Richtig.

00:14:52: Und die Abweichung von der Norm, das sind diese komischen, unverbesserlichen Osts,

00:14:55: die einfach nichts dazulernen wollen.

00:14:57: Richtig, so.

00:14:58: Und mein Gedanke dazu, ich schon seit sehr langer Zeit,

00:15:01: warum beschreiben wir das so?

00:15:03: Warum beschreiben wir das eigentlich nicht als bereichernd?

00:15:06: Seit wann ist Vielfalt, seit wann ist sozusagen unterschiedlich zu sein, eigentlich ein Problem?

00:15:12: Weil wir gewonnen haben.

00:15:14: Wir sind die Sieger im Kalten Krieg, wir haben die Osts quasi besiegt.

00:15:19: Wir haben die nationale Volksarmee besiegt, ohne einen einzigen Schuss abgeben zu müssen.

00:15:25: Ja, das war Feind und Rivalen.

00:15:27: Und wir sind die Gewinner, ja, und es gibt eine alte so kratische Weisheit, die sagt, Siegen macht dumm.

00:15:35: Ja, wenn man gewonnen hat, sieht man nicht ein, dass man über irgendwas weiter nachdenken muss.

00:15:41: Man hat ja schließlich gewonnen.

00:15:43: Nachdenken sollen die Verlierer, ja.

00:15:45: Und man hat überhaupt nichts davon reflektiert.

00:15:47: Man hat sich auch nicht dafür interessiert, was die Menschen im Osten gedacht haben.

00:15:51: Ich habe das noch lebhaft vor Augen.

00:15:53: Gespräche im Zug von Westmanagern oder ehemaligen Assistenten, die dann über Nacht Professuren kriechten,

00:16:02: an DDR-Hochschulen, weil da ja viele Stellen frei wurden, wer zu nah mit dem System verstrickt war,

00:16:07: verlor seinen Posten.

00:16:09: Und diejenigen Professoren im Westen, da gehörte auch mein eigener Doktorvater zu,

00:16:14: die da zuständig waren, die Überprüfungen zu machen, die sahen dann zu, dass sie ihre eigenen Assistenten dort irgendwo einpflanzt.

00:16:22: Und ich sah junge Manager sich darüber aufrichten, dass sie keine Telefonanschlüsse da in ihrem Büros haben.

00:16:28: Und es gab lustigste Tiraden über die Dämlichkeit und die Rückständigkeit der Aussies.

00:16:33: Das war Kolonialverhalten.

00:16:35: Ganz eindeutig.

00:16:37: Kolonialverhalten, würdest du das nennen?

00:16:39: Kolonialverhalten, natürlich. Man hat gesagt, ihr habt jetzt 40 Jahre alles falsch gemacht.

00:16:43: Das hat man auch Leuten gesagt, ihr hast 18 Uhr an.

00:16:45: Immer dieser Satz, 50 Jahre.

00:16:47: 40 Jahre sozialistische Misswirtschaft, als wären junge Leute dafür verantwortlich gewesen wären.

00:16:53: Und jetzt kommen wir mal und zeigen euch, wie der Herr Hase läuft.

00:16:56: Das war eine ganz ausgeprägte Mentalität. Das hat man so oft mit bekommen.

00:17:00: Würde dir an einem Punkt widersprechen, Richard, also ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das genauso angekommen ist.

00:17:06: Und es gibt ja auch, wenn du mit Dirk Oschmann sprichst, das ist sehr interessant.

00:17:09: Ich meine, Dirk Oschmann hat ja, was hat der gemacht in diesem Buch und warum war das so ein großer Erfolg?

00:17:14: Versteht man auf den ersten Blick gar nicht, weil Dirk Oschmann, und das sagt er auch selber, hat lauter Dinge zusammengetragen,

00:17:20: die eigentlich alle satzam bekannt sind.

00:17:22: Also beispielsweise so ganz sehr harte, klare wirtschaftliche Fakten.

00:17:28: So nur 2% ungefähr der Erbschaftssteuer in Deutschland, werden die aus Deutschland bezahlt.

00:17:34: Mit anderen Worten, da wird kaum was vererbt.

00:17:37: Wenn du in Leipzig bist, auch in Dresden, bist innen statt, wunderschöne Städte, da hast du aber sozusagen,

00:17:44: er beschreibt das Zitire, da wohnt dann 13% Aussies in ihrem eigenen, in ihrer eigenen Wohnung,

00:17:50: weil der Rest gehört nämlich Wessis.

00:17:52: Das heißt, die Eigentumsverhältnisse sind da schon ein bisschen anders.

00:17:56: Deswegen ist kolonialisiert so ganz falsch, auch selbst, wenn man jetzt den Anführungszeichen jetzt gedacht hat, nicht.

00:18:02: Ja, ich verstehe, was du meinst.

00:18:05: Ich will nur sagen, ich glaube, dass da sozusagen nicht die böse Absicht dahinter war, das so zu machen,

00:18:12: sondern eine gewisse Gedankenlosigkeit.

00:18:14: Nennen wir es eine freundliche Übernahme statt einer freundlichen Übernahme.

00:18:18: Ja, genau.

00:18:19: So, und das andere ist, worüber wir eben geredet haben, und das merkt man bei Dirk Oschmann immer.

00:18:25: Dirk Oschmann ist ein wütender Mann.

00:18:27: Das habe ich jetzt in der Sendung wieder gedacht.

00:18:29: Und ich mag das, wie du weißt, wenn Leute leidenschaftlich um ihre Position kämpfen.

00:18:34: Völlig egal, ob man die teilt oder nicht.

00:18:36: Aber ich mag Leute, die für das einstehen, was sie sagen.

00:18:40: Aber bei Dirk Oschmann kommt diese Wut dazu, und er hat das neulich,

00:18:44: und da kriegt dich endlich sozusagen ein bisschen die Antwort auf die Frage, woher das kommt.

00:18:48: Er sagte, das ist auch ein strategischer Zorn.

00:18:51: Man muss ma sauer sein, man muss zuspitzen, man muss den wirklich ma klipp und klar sagen,

00:18:56: was Phase ist, weil ohne diesen Zorn hätte dieses ganze dieser Inhalt,

00:19:01: der, wie gesagt, lauter bekannte Dinge, ja, auch die Demografie zum Beispiel,

00:19:05: die ein riesiges Thema ist, ohne dass hätte dieses Buch niemals diese Wirkung entfaltet.

00:19:11: Man könnte auch sagen, so sehr er sich wehrt,

00:19:14: dass sozusagen pauschal über den Ossi gesprochen wird.

00:19:18: So sehr spricht er manchmal ein bisschen pauschal über den Wessi.

00:19:22: Das ist der Vorwurf, den man ihm machen muss.

00:19:24: Aber das geht natürlich bei der ganzen Diskussion.

00:19:26: Ich habe das von Anfang an dazu gesagt, ja.

00:19:29: Alles, was man über den Ossi oder den Wessi oder die Ossis oder die Wessis sagt,

00:19:33: sind immer unzulässige Fallgemeinerungen.

00:19:36: Aber wie soll man sich denn ausdrücken, wenn man bestimmte Tendenzen, Strömungen, Motive und so weiter auflisten möchte?

00:19:44: Das ist eine Verlegenheit, dass man da so eine Verkürzung macht.

00:19:48: Genau. Wir haben in der Sendung auch über die Demografie gesprochen.

00:19:52: Das ist schon interessant, ohne Ostberlin leben in Ostdeutschland noch 12,5 Millionen Menschen.

00:19:58: Die westdeutsche Bevölkerung ist heute um 60 Prozent höher als vor dem Zweiten Weltkrieg.

00:20:04: In Ostdeutschland 15 Prozent weniger. Die sind auf dem Stand von 1905.

00:20:09: Ostdeutschland hat mittlerweile weniger Bewohner als NRW sowieso.

00:20:14: Das ist klar. Alle Länder, alle Ostdeutschen Länder, so genannten Ostdeutschen Länder zusammen,

00:20:19: sind auch weniger als Bayern. Bayern hat 13,5, 14 Millionen. Ostdeutschland ist jetzt bei 12,5 Millionen.

00:20:25: Also da ist demografisch auch richtig was passiert.

00:20:28: Und auch das ist etwas, was man versteht.

00:20:30: Wenn man durch Osteuropa reist, die Demografie ist ein harter Faktor.

00:20:37: Und der zuschlägt ein positiver Beitrag des Ostens zur globalen Überbevölkerung.

00:20:43: Ja, aber für Gesellschaften ist das nicht gut.

00:20:47: Und du weißt es auch. Wir haben darüber geredet, in Bulgarien und auch in anderen Ländern.

00:20:52: Moldau zum Beispiel. Da hast du mittlerweile flächendeckend.

00:20:55: Da fehlen Menschen. Du hörst das in den Städten. Es ist leise.

00:21:00: Und du siehst, du freust dich, wenn du mal einen jungen Menschen triffst.

00:21:03: Nicht überall natürlich, aber insbesondere auf dem Land.

00:21:06: Was ist passiert? Die sind weg. Verstreut über ganz Europa.

00:21:09: Viele junge Ostdeutsche sind ja auch damals weggegangen.

00:21:12: Gerade Thüringen hat besonders Bevölkerung verloren.

00:21:17: Und wenn du die Osteuropa insgesamt anschaust,

00:21:21: haben wir schon mal darüber gesprochen, diese Melancholie, die da auch drüber hängt,

00:21:25: weil da überall diese zerrissenen Familien sind.

00:21:27: Und du irgendwann die Situation hast, dass die Enkel, die überall in Europa arbeiten,

00:21:33: die dann Englisch sprechen, die kommen nach Hause und verstehen ihren eigenen Großeltern nicht mehr.

00:21:37: Das macht etwas mit einer Gesellschaft.

00:21:39: Das ist jetzt kein binnendeutsches Problem, weil wir alle glücklicherweise Deutsch sprechen.

00:21:44: Aber will nur sagen, da passiert etwas.

00:21:47: Aber jetzt sind es hier und jetzt die Frage nach den politischen Konsequenzen.

00:21:52: Richard, es ist erstaunlich, was da gerade passiert.

00:21:55: Es ist erstaunlich, was sich da strategisch plötzlich für ein gigantisches Dilemma offenbart.

00:22:00: Die Sache mit den Brandmauern zum Beispiel und viele, viele andere Dinge.

00:22:04: Die Frage, ob man koalieren kann mit dem BSW.

00:22:09: Ich erlebe gerade kaum ein Interview, in der nicht irgendjemand aus der CDU darauf hinweist,

00:22:13: wie unvorstellbar kommunistisch eigentlich die Sache wagenknächt ist.

00:22:16: Ja, das ist interessant. Ich finde das schön.

00:22:18: Also im Augenblick wird überall allerdings nicht nur von Politikern, auch von Journalisten,

00:22:23: immer wieder darauf hingewiesen, dass sie ja eigentlich irgendwie offensichtlich eine verkappte Kommunistin sein muss,

00:22:28: weil sie ja lange in der kommunistischen Plattform ihrer Partei war.

00:22:32: Da heißt es immer, kann man mit einer Ex-Kommunistin koalieren.

00:22:37: Also mit wie viel Ex-Kommunisten wir hier in Deutschland schon rumkoaliert haben, das ist ja beeindruckend.

00:22:43: Philstrid Kretschmann, ehemaliger Maoist, also Ex-Kommunist.

00:22:47: Jürgen Trittin, Ex-Kommunist, ja, ebenfalls in K-Gruppen, glaubt beim KB Nord aktiv.

00:22:54: Ulla Schmidt, die ehemalige Gesundheitsministerin der SPD, war soweit ich mich erinnere beim KBW,

00:23:00: Kommunistischen Bund Westdeutschlands, Refüx von der solange die Böldstiftung bei den Grünen gemacht hat, Ex-Mau ist.

00:23:08: Also man kann schon.

00:23:11: Man kann schon.

00:23:13: Die Vorsilbe Ex ist ja vielleicht auch nicht zufällig vor Wilfried Kretschmann zum Beispiel.

00:23:18: Also wenn jemand des Maoismus heute enorm unverdächtig ist, dann ist es Wilfried Kretschmann.

00:23:24: Und zu sagen, nein, nein, der ist aber eigentlich und immer noch, dann hat er sich aber in der Zeit als Landesvater so dermaß.

00:23:31: gut getarnt, dass er das also wirklich nur noch mit sich selbst ausmacht. Nein, mit anderen Worten.

00:23:37: Es gibt einen rechtvollen Menschen dazu zu lernen. Und wenn das auch schon mehr als zehn Jahre her ist,

00:23:43: dann kann man auch dem einen oder anderen Menschen glauben, dass er sich weiterentwickelt hat.

00:23:48: Also wir reden deswegen darüber, Richard, weil es um die Frage des Umgangs mit Sarah Wagenknecht

00:23:52: geht, um den Umgang mit ihrer Partei und um diese sehr vertragte Situation, die du plötzlich

00:23:59: insbesondere in Thüringen hast. Und da gibt es ja diese Unvereinbarkeitsbeschlüsse, die CDU,

00:24:08: die sich, was würde ich so sagen, in eine strategische Sackkasse selber hineinbewegt hat, indem

00:24:14: sie sagt, was auch mit der AfD auf gar keinen Fall und mit der Linkspartei ebenso auf gar keinen Fall.

00:24:20: Deswegen kommt ja immer dieser Hinweis, was ist eigentlich das Problem, wenn man doch offensichtlich

00:24:27: mit einer Sarah Wagenknecht sich jetzt vorstellen kann, stichwort kommunistische Plattform. Wir

00:24:31: sprachen gerade darüber, ja, möglicherweise zu koaldieren oder sich dulden zu lassen, was auch

00:24:36: immer. Und gleichzeitig an dem Bodo-Reimelow, an dem sehr beliebten und durchaus auch erfolgreichen

00:24:43: Ministerpräsidenten westdeutscher Gewerkschafter, der Bakastad gearbeitet hat und der keine SED

00:24:51: vergangenen Heim hat. Und nichts verstaatlicht hat in Thüringen, wo er nun wirklich hinreichend

00:24:56: Zeit für gehabt hätte, auch jemand, der also den praktischen, direkt Nachweis erbracht hat,

00:25:02: dass er kein Kommunist ist, sondern ein hemmzärmlicher und pragmatischer Politiker, vor dem man sich

00:25:09: nicht scheuen muss, ihm die Hand zu geben. Und das könnte die CDU im Grunde genommen auch tun.

00:25:14: Die haben nur Angst, dass sie ein paar Wähler haben, die das nicht verstehen. Vor allem im Westen.

00:25:18: Also ich muss sagen, wenn man sich mit Menschen aus Ostdeutschland unterhält, wenn man hört,

00:25:26: welches unrecht teilweise den Leuten widerfahren ist, was die SED wirklich war und wenn man sich

00:25:32: sozusagen klarmacht, dass die Linkspartei aus dieser SED hervorgegangen ist, dann finde ich,

00:25:37: sollte man das jetzt nicht einfach abtun und sagen, das sind so ein paar Typen, die irgendwie immer noch

00:25:42: das alte Kommunistenticket erreiten und irgendwie nicht verstehen, was Zeitgeist ist und wer

00:25:47: eigentlich Bodoramelo ist. Also ich finde schon, es gibt einen sehr ernsthaften Hintergrund, das so zu

00:25:52: sehen. Gibt es irgendjemand in der Führungsriege der Linkspartei heute? Ja, also nach all den Jahrzehnten

00:25:59: nach dem Mauerfall, der eine Stasi oder SED-Vergangenheit hat, die ihn aus guten Gründen zu einer mehr als

00:26:06: umstrittenen Figur machen? Ich wüsste nicht. Also auch hier gilt dazulernen sich Heuten und was

00:26:14: was. Also ich erlebe die Linker heute als weitgehend konturlose Partei, aber ich erlebe zwalschere

00:26:19: Ramelo nicht als kulturlosen Ministerpräsidenten. Das muss man auch unterscheiden. Pass auf, es gibt

00:26:23: jetzt eine völlig verrückte Diskussion und eine eigentlich verrückte Situation in Thüringen und

00:26:32: da reden wir jetzt über Bodoramelo. Bodoramelo hat sein Direktmandat geholt. Das ist wichtig in

00:26:41: dem Zusammenhang. Höcke hat sein Direktmandat nicht gewonnen, hat verloren gegen einen anderen

00:26:45: Geschichtslehrer, als auch Geschichtslehrer, nämlich Herrn Tischner von der CDU. Er ist ein sehr

00:26:50: konservativer Typ, klarer, konservativer. Einer aber, der sozusagen von dort kommt, anders als

00:26:57: Höcke, er ist sozusagen das Original und Höcke ist der Westimport. Und der einzige Spitzenkandidat,

00:27:06: der sein Direktmandat gewonnen hat, ist Ramelo. Und das ist jetzt eine interessante Geschichte.

00:27:11: BSU, CDU und SPD, man hat sich ja nochmal korrigieren müssen, haben keine Mehrheit im Erfurter

00:27:19: Landtag. Da fehlt jetzt eine einzige Stimme. Und jetzt kommt was auf, der verrückte Move,

00:27:27: Bodoramelo könnte möglicherweise diese Stimme sein, die das möglich macht. Also nicht die

00:27:34: Linkspartei, der rettet die Demokratie, um das mal so groß zu machen, sondern Bodoramelo ganz

00:27:42: persönlich rettet die Demokratie mit seinem Direktmandat. Immer eine Bodoramelo ist am Sonntag

00:27:48: abgewählt worden und der stellt sich hin und sagt mit Blick auf die Wahlbeteiligung, das war ein

00:27:54: Fest für die Demokratie. Ja, weil sich so viele beteiligt haben. Das mochte ich. Und es könnte

00:28:00: sein, dass er jetzt ein weiteres Mal sozusagen Geschichte schreibt, weil ja historisch der erste

00:28:05: Ministerpräsident der Linkspartei. Und jetzt könnte er ein weiteres Mal Geschichte schreiben,

00:28:11: indem er mit seiner Stimme ganz persönlich diese Koalition möglich macht. Das ist eine

00:28:16: interessante Konstellation. Ohne jeden Zweifel. Ich meine, ich hatte in der Sendung bei dir gesagt,

00:28:22: ich sehe überhaupt gar keine richtige Perspektive, wie Thüringen in Zukunft regiert werden kann.

00:28:27: Dass dann am Ende ein Ergebnis rauskommt, indem es ein Ministerpräsident von der CDU gibt und

00:28:35: dass der mächtigste Mann aber jemand ist, der noch nicht mal Mitglied der Koalition ist,

00:28:39: sondern von dessen Duldung alle Gesetze abhängen, ist auch eine sehr spezifische Konstellation.

00:28:45: So, um was ist mit dem anderen mächtigen Mann in der Thüringenischen Landespolitik? Was ist mit

00:28:50: Björn Höcke? Ich frage mich schon seit Tagen, wie wird das eigentlich jetzt Hand haben wollen?

00:28:59: Wie wird das eigentlich machen wollen? Also auch das unter dem Eindruck der einer der Sendung

00:29:05: letzte Woche, da war Mark Felix Serrao bei uns zu Gast, Chefredakteur der NZZ Deutschland,

00:29:12: der im Februar, glaube ich, war es schon, einen viel beachteten Kommentar geschrieben hat,

00:29:18: in dem er sagt, lasst die jetzt endlich regieren, weil nur so könnt ihr sie stellen. Und er argumentiert

00:29:23: und sagt, alles was wir bis jetzt gemacht haben, hat nicht funktioniert. Wir haben sie hart versucht

00:29:29: auszugrenzen, das hat alles nicht funktioniert. Und ich habe heute Morgen in Vorbereitung,

00:29:35: auch auf das Gespräch mit dir, nochmal mit Martin Machowetz, sehr geschätzter Kollege von der

00:29:41: Zeit gesprochen. Schöne Grüße an der Stelle, der sagte, denkt mal drüber nach, die AfD,

00:29:47: war mal eine ganz andere Partei. Und diese konsequente Strategie der Ausgrenzung hat unter

00:29:55: anderem dazu geführt, dass sie sich immer weiter radikalisiert hat. Würdest du dem zustimmen?

00:30:00: Ich würde dem zustimmen. Ich meine, es ist immer schwierig zu sagen, hätte hätte Fahrradkette,

00:30:07: also wenn man sie stärker integriert hätte, jetzt mal die Frage ernsthaft, also wenn man mit

00:30:12: ihr irgendwo koaliert hätte, ob sie da nicht stärker geworden wäre. Also der Umkehrschluss gilt

00:30:17: vielleicht nicht. Aber richtig ist, dass diese Ausgrenzungsstrategie ganz faktisch mal gesehen

00:30:21: keine Erfolgsgeschichte ist. Da müssen wir glaube ich nicht lange drüber nachdenken. Ob jetzt umgekehrt

00:30:26: die Inklusion, das Koalieren, ein Erfolg wäre, das ist dadurch natürlich auch nicht ausgemacht.

00:30:33: Ganz grundsätzlich hat dann nicht die Frage, ich weiß nicht wie es dir geht und wir haben auch

00:30:38: mit Marc Felix-Zerrao darüber gesprochen. Da gibt es ein Störgefühl. Ich habe Angst vor dem Moment,

00:30:44: an dem irgendwann auch in Deutschland der Erste sagt, da gibt es eine gestohlen Wahl. Du hast

00:30:50: es in Amerika gesehen, das fängst du nicht mehr ein und ich habe wirklich Angst vor diesem Moment,

00:30:57: an dem sich dieses Narrativ wirklich hält. Es gibt ja bereits die Leitversion davon. Die Leitversion

00:31:01: ist nicht zu sagen, die Wahl ist gestohlen, sondern die Leitversion ist zu sagen, wir leben nicht

00:31:05: mehr in einer Demokratie, wenn die stärkste Partei, also Björn Höcke von der AfD von Koalitionsgesprächen

00:31:12: ausgeschlossen wird und aus Sicht der AfD ein Kartell von anderen Parteien, den Wähler will mit

00:31:17: Füßen tritt, indem sie die stärkste Partei ausgrenzen. Das ist das gegenwärtige Narrativ der AfD.

00:31:22: Genau. Nach der Motto so, kann das System doch wohl nicht gedacht sein. Das normalerweise müsste

00:31:29: Höcke ja jetzt mit der Regierungsbildung beauftragt werden, wird niemanden finden und dann wird man

00:31:35: sagen, hier, da sieht man, das ist sozusagen undemokratischer Beukott eines demokratischen Systems. Das ist

00:31:40: die Argumentation der AfD. Genau. Muss man mal sagen, das ist nicht undemokratisch, ne? Natürlich

00:31:45: nicht. Wir hatten Bundeskanzler, die keine Mehrheiten hatten, also in ihrer sozusagen nicht

00:31:50: stärkste Partei waren. Ja, also Helmut Schmidt war, soweit ich mich erinnere, bei den beiden Wahlen

00:31:55: 76 und 80, nicht stärkste Partei, sondern 76 und 80 war die stärkste Partei, die CDU. Genau. Aber in

00:32:02: der Koalition mit der FDP hat es ganz knapp gereicht. Aber nochmal, ne? Das ist Demokratie und gleichzeitig

00:32:09: merke ich bei vielen. Ich habe dieser Tage Melanie Ammann gehört, die ich sehr schätze, Kollegin

00:32:13: vom Spiegel, die auch darüber sprach. Die sagte, da gibt es dieses Störgefühl. Und irgendwie habe

00:32:19: ich das auch und das habe ich auch bei Marc-Felix Zerao gemerkt, dem Chefredakteur der NZZ und das

00:32:24: merke ich auch bei anderen, die sagen, auch Kollegen der Zeit zum Teil, wie gehen wir jetzt damit um?

00:32:31: Ja, da stehen Leute auf dem Wahlzettel. Die kann man wählen. Und dann holen die diese 33 Prozent und

00:32:40: dann sagt man, ist aber jetzt trotzdem nicht das, was uns sozusagen in unser System irgendwie passt.

00:32:50: Ja, das ist das Narrativ. Und Bodo Ramelot, den ich gerade, wie ich finde, zu Recht gelobt habe,

00:32:55: und man an dem Punkt mal deutlich kritisieren, der hat neulich im Fernsehen davon gesprochen, dass

00:33:00: man sozusagen jetzt eine Koalition derer finden muss, die mit demokratischen Stimmen gewählt

00:33:06: worden sind. Mit anderen Worten, die 33 Prozent sind undemokratische Stimmen. Und da habe ich ein

00:33:11: echtes Problem. Das ist ja völlig daneben das Gleiche. Es ist Friedrich Merz, der die Formulierung

00:33:15: benutzt, die demokratischen Parteien und damit die AfD und Bündnis Sarawak-Nicht dezidiert

00:33:23: ausschließt. Richtig. Also ich meine, die Frage ist, wann ist denn eine Partei demokratisch? Also

00:33:30: kann es natürlich über die AfD zu Recht sagen, wird von Verfassungsschutz beobachtet. Ja,

00:33:34: alles gut. Es gibt jedenfalls, und es steht unter Verdacht oder ist sogar dessen überführt,

00:33:41: rechtsextremistisches Gedankengut in sich zu tragen und so weiter. Ist sie damit keine demokratische

00:33:47: Partei mehr? Das ist ne interessante Wortklauberei. Was macht eine Partei zu einer demokratischen

00:33:53: Partei, eine Partei, die zugelassen ist und von 33 Prozent gewohnt ist? Das ist mein Wort. Ist

00:33:57: nicht demokratisch schwierig? Bei dem Wagenknechtfall absurd. Also was sollte der Grund sein, warum das

00:34:04: anders als die grünen, die FDP, die SPD und die CDU keine demokratische Partei ist? Also ich muss

00:34:11: sagen, dass dieser Schwachgebrauch, Rammelo, dein Beispiel, Merz mein Beispiel, das ist natürlich

00:34:17: klar, warum man das macht. Man sagt, er hat einen schwitzigen Fingern anfassen und ganz viel ist und

00:34:21: dürfte nichts mit tun haben und so. Aber ich meine, der Schuss geht doch nach hinten los. Und diese

00:34:25: leichtsinnige parteitaktische Taktiererei, diese leichtsinnige parteitaktische Umgang damit, dass

00:34:35: man also versucht jetzt hier möglichst viele böse Punkte und so zu finden, um dann hier zu

00:34:39: zocken und da und hier in Triege und da Gerücht streuen und so. Das ist kein guter Umgang mit dem

00:34:46: Phänomen, was wir am Anfang des Podcasts so ausführlich beschrieben haben. Die spannende Frage

00:34:51: wäre doch einfach, was sind die Angebote der Parteien, um die Menschen im Osten auch jenseits von

00:34:58: der AfD dort abzuholen, wo viele stehen? Das finde ich die viel spannende Frage. Ja, ich habe keine

00:35:05: perfekte Antwort, aber ich habe etwas in zweiter Gedanke, der mir dieser Tage so durch den Kopf

00:35:09: ging. Dazu gehört ehrlich gesagt auch mal ein bisschen mehr Aufrichtigkeit. Also wenn man, wenn

00:35:15: man jetzt auch von Seiten der Union und da hört man den ein oder anderen ja mit sehr harten,

00:35:22: steilen Thesen auch über diese Regierung so hört, dann denke ich manchmal, wie kann man so

00:35:28: geschichtsvergessen sein? Die AfD hat das letzte Mal 2019 auch schon ein Ergebnis geholt, das ganz

00:35:35: nah an dem dran war, was da jetzt passiert ist. Und damals regierte noch keine Ampel? So, da war,

00:35:40: hieß die Kanzlerin Angela Merkel, also zu tun, als hätte jetzt ausschließlich diese diese diese

00:35:47: miese Ampelpolitik sozusagen dazu geführt, dass wir jetzt in der Situation sind, darauf muss

00:35:53: zu mal kommen, muss man sich auch trauen, ehrlich gesagt. Und wenn dann Markus Söder sagt, die Ampel

00:35:57: ist eine rauchende Ruine im Osten. Ja gut, das stimmt faktisch, da ist nicht mehr viel übrig.

00:36:02: Aber diese Schadenfreude ist ein bisschen fehl am Platz, weil wenn jetzt nicht die Ampel regiert

00:36:06: hätte die letzten drei Jahre, sondern stattdessen hätte eine Koalition, die man nicht mehr groß

00:36:10: nennen kann, aus SPD und CDU regiert, hätten wir dann eine gänzlich andere Politik gehabt? Das

00:36:16: glaube ich überhaupt nicht. Die Parteien unterscheiden sich doch gar nicht wesentlich, also vielleicht

00:36:21: in ihren Wahlkämpfen, aber doch nicht in der Praxis, sind sich alles wahnsinnig ähnlich. Und dann

00:36:25: dieses ganze Hickack und dieses Spielchen, ich habe mich, als ich bei dir in der Sendung war,

00:36:31: wirklich über Kevin Kühnert an einem Punkt geärgert, als er jetzt unbedingt wollte, dass die

00:36:36: zuständige Ministerin von den Grünen in Nordrhein-Westfalen zurücktreten sollte, sagt ja schon,

00:36:41: ja ja, die wird ja wahrscheinlich zurück, hat irgend sowas ähnliches, also der Jüd wird dafür

00:36:45: bezahlen oder wie auch immer. Wegen Solingen, ne? Ja wegen Solingen, weil die dort mit der CDU

00:36:50: koalieren, den eigenen Koalitionspartner. Also versuchen dann noch so einen kleintaktischen

00:36:56: Kniff gegen Wüst rauszumachen. Das war so unangemessen in der Situation, ich meine es geht

00:37:02: um diese furchtbare Tragödie, die sich in Solingen ereignet hat. Ja es geht um ein völliges

00:37:06: Neu und Überdenken von Asylpolitik, aber es geht doch nicht um parteitaktische Spielchen. Das haben

00:37:11: die Leute so satt. Ja genau, mein Punkt ist Richard, ich habe gerade gesagt, die waren damals auch

00:37:17: schon stark, ja bei der letzten Landtagswahl. Jetzt haben sie noch mal knapp zehn Prozent zugelegt

00:37:22: und meine Frage ist und ich merke, dass die Gedanken vieler, mit denen ich in diesen Tagen so spreche,

00:37:27: ging genau in diese Richtung. Jetzt haben es gerade noch mal vielleicht und wenn Bodoramelo

00:37:32: heldenhaft sozusagen seine Stimme ja sein Direktmandat in die Bargschale wirft, dann ist die

00:37:38: Demokratie in Thüringen gerettet, aber was passiert beim nächsten Mal? Was wenn die dann wieder

00:37:44: zehn Prozent zulegen oder fünfzehn? Oder auch nicht, das sind alles Sachen, die natürlich

00:37:48: wahnsinnig schwer einzuschätzen sind. Also ich vermute, dass es eine scharke Veränderung in der

00:37:54: Asylpolitik der anderen Parteien geben wird, also der Ampelparteien und der CDU. In dem Versuch

00:38:02: auf diese Art und Weise nach der in der Schumpfvorbild die AfD klein zu halten. Ich denke,

00:38:08: dass das ist und das ist erst mal das, was wir jetzt beobachten müssen und dann müssen wir

00:38:12: schauen, was für ein Resultat das zeigt. A) ob es wirklich eine bessere Asylpolitik bringt und B)

00:38:17: ob es dazu beiträgt der AfD, den zu anzuziehen. Ich glaube, das ist erst mal das, was jetzt

00:38:23: kurzfristig ansteht. Eine letzte Frage habe ich noch, eine persönliche Frage. Hast du dich mal mit

00:38:28: Götz Kubicek beschäftigt? Nein. Der Ideologe sozusagen hinter der AfD. Weil ohne den rechtsradikalen

00:38:34: Verleger Götz Kubicek ist die heutige AfD, die Radikalisierung der AfD, nicht denkbar,

00:38:40: ehemaliger Bundeswehroffizier, der sich in der rechten Szene seit den 1980er Jahren engagiert,

00:38:47: wurde bekannt durch die Organisation von Demos gegen die Wehrmachtsausstellung damals.

00:38:52: Genau, hat viel für die junge Freiheit geschrieben, hat die Zeitschrift "Session" gegründet und so

00:39:00: weiter, ist dann zehn Jahre nach dem Fall der Mauer auch ein Westimport nach Schnellroder in

00:39:08: Sachsen-Anhalt gezogen, lebt dort mit seiner Familie auf einem Rittergut und lebt so ein bisschen das,

00:39:16: ich will gar nicht sagen Kitschbild, aber so das Klischeebild eines Landbauern, der im Beziegen

00:39:20: melkt und Holz hackt und war sozusagen im Grunde ein Zeichen, dass man dort das findet, was man in

00:39:28: der Bundesrepublik damals schon verloren glaubte, Städte und Dörfer, ohne Ausländer, um mit sehr

00:39:34: viel Raum und Platz zum Atmen. Ich frage mich manchmal, wer ist dieser Mann, der sozusagen die

00:39:41: Ideologie stiftet hinter jemandem wie Björn Höcke? Ich meine Höcke, ehemaliger Geschichtslehrer, der

00:39:47: ja einem richtig großen Publikum bekannt geworden ist, als er zum ersten Mal 2014 mit der AfD

00:39:56: in Thüringen über die fünf Prozent-Thürte kam. Ich kann mich erinnern, dass er mit der

00:39:59: Deutschlandfahne bei, wo war das? Bei Günther Jauchs. Ganz genau. Danach wusste man, wer das ist.

00:40:05: Richtig, genau. Diese Situation, auch eine Schlüsselszene, ich weiß noch, ich saß damals vom

00:40:11: Fernseher, Höcke hörte plötzlich diese Deutschlandfahne raus und sagte sozusagen, wer ein

00:40:17: echter Patriotes, der hat kein Problem mit der Deutschlandfahne. Ich habe damals vom Fernseher

00:40:22: gesessen, es hat mich unfassbar wütend gemacht. Ich dachte, du maß die an, mir zu sagen, was

00:40:27: jetzt Deutschland ist und kaperst sozusagen auch mein Deutschland und auch dein Deutschland,

00:40:34: unser aller Land, kaperst du, indem du sagst, irgendwie, das so muss dieses Land sein. Das hat

00:40:39: mich damals wahnsinnig gemacht. Und dann gab es ja, es gibt so zwei Punkte, die interessant sind,

00:40:46: wenn man zum Beispiel mit jemandem wie Jörg Meuthen auch darüber spricht. Lücke ist gescheitert

00:40:52: bei dem Versuch, Höcke sozusagen in den Griff zu kriegen. Frauke Petri ist damit gescheitert.

00:40:58: Und Jörg Meuthen ist es auch. Und es gibt so ein paar ganz markante Punkte. Zwei haben wir gerade

00:41:03: besprochen, der Dritte ist am 12. Dezember 2015 wird bei YouTube ein Video hochgeladen. Von einem

00:41:12: Auftritt, glaube ich, genau auf diesem Rittergut von Götz Kubicek und das spricht Höcke vom

00:41:16: lebensbejahenden afrikanischen Ausbreitungstyp. Duziert über verschiedene Menschentypen,

00:41:22: über die Reproduktionsstrategie in dieser verschiedenen Menschentypen und lauter solche

00:41:27: Dinge. Später kamen noch andere Scheißlichkeiten dazu, Volkskörper und dieser ganze biologistische

00:41:34: Sprache gebraucht über Menschen. Genau, den man wirklich schwer trägt, weil

00:41:41: es kein Verdienst ist, Italiener zu sein, kein Verdienst, Deutscher zu sein. Man ist einfach

00:41:46: irgendwo geboren und dann kommt es auch von, dass du ein guter Mensch bist. Das macht sich

00:41:50: nicht an der Frage der Biologie fest. Wider spricht dem Gedanken, dem kanischen Gedanken des

00:41:55: universalistischen Humanismus, dass jeder Mensch grundsätzlich erst einmal gleich und mit den

00:42:05: gleichen Rechten ausgestattet und was was ich was ist. Und dass er nicht primär definiert ist

00:42:10: durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe. Also wieder zu einem Geschlecht, noch zu

00:42:13: einer Aetneer, der Hautfarbe, das alles ist sekundär. Und hier bei der biologistischen Sichtweise

00:42:19: wird das sekundäre zum Primären gemacht. Und das ist rassistische Ideologie. Und deshalb, wenn

00:42:25: man sozusagen demokratie theoretisch, wie es dann im Asterofen heißt, darüber nachdenkt,

00:42:29: beteiligen wir die jetzt irgendwie, wie gehen wir jetzt damit um, muss man an dem Punkt natürlich

00:42:35: ganz konkret die Frage stellen, okay, welches Ressort gibst du dann an den Björn Höcke? Gibst du

00:42:41: dem Kultus? Machst du den so? Nein, aber ich glaube, das ist völlig klar, dass man mit Björn Höcke

00:42:46: nicht koalieren kann. Ja, darüber müssen wir glaube ich nicht lange diskutieren. Und ich denke,

00:42:51: wenn in der CDU darüber nachgedacht wird, künftig möglicherweise mit der AfD zu koalieren,

00:42:57: vor allem kommunal. Vielleicht irgendwann auf Landesebene, dann sicherlich nicht in Thüringen.

00:43:02: Und dann gibt es noch einen zweiten Punkt, Richard, noch ganz kurz und abschließend zwei Jahre später,

00:43:08: Januar 2017, hält da diese berüchtigte Rede im Ballhaus in Dresden, im Ballhaus Watzke,

00:43:16: wo er das Holocaust-Mahnmal in Berlin als Denkmal der Schandel bezeichnet, erfordert

00:43:22: eine 180-Grad-Wende in der Erinnerungskultur. Und damals war das glaube ich fast das Ende

00:43:29: von Höcke. Der Vorstand um Petri, weiß ich noch damals, hatten wir auch Gespräche dazu,

00:43:34: die haben versucht ihn aus der Partei zu kriegen, scheitern aber und das Ergebnis war,

00:43:39: Frauke Petri hat dann 2017 diese Partei verlassen. Und all diese Dinge haben Höcke nie wirklich

00:43:48: geschadet, sondern ganz im Gegenteil haben ihn irgendwie noch stärker gemacht und am Ende war

00:43:54: ja auch dann Jörg Meuthen Geschichte. Und Höcke wurde zu dem Mann, der eigentlich inhaltlich

00:43:59: personell diese Partei bestimmt. Hast du eine Erklärung dafür, warum das so lange einfach

00:44:05: durchgegangen ist? Also das Erschauentlich erscheint ja auch zu sein, aus welchem harten Holz man

00:44:10: geschnitzt ist, dass man um all die Skandale und alles was dazugehört eben entsprechend überlebt

00:44:15: und eine so treue Anhängerschaft hat, die egal was man da erzählt, ja und wenn man zum Teil

00:44:20: verfassungsfeindliches oder rassistisches erzählt, trotzdem zu einem steht. Das geht natürlich

00:44:26: weit über das Erklärungsmuster, was ich am Anfang ja, dass in der DDR und damit im Osten das

00:44:31: alte Deutschland länger erhalten blieben ist weit hinaus. Also da würde ich sagen, da bleibe ich

00:44:39: der belehrende Wessi an dem Punkt, dass ich gesagt habe, also bestimmte Dinge Nazi Ideologie zu

00:44:44: reflektieren und auch sozusagen die Denkfehler da drin und die Faltstricke eines solchen Denkens

00:44:50: und hin zu all den Grausamkeiten und Fürchterlichkeiten, die sie bewirken können. Also das aufzuarbeiten,

00:44:55: das ist etwas was es, ich weiß, die DDR hat auf eine ganz andere Art und Weise das Dritte Reich

00:45:00: aufgearbeitet dazu Bundesrepublik. Bundesrepublik hat es spät gemacht, aber dann im internationalen

00:45:05: Vergleich schon ziemlich gründlich. Ja, ich will nicht sagen vorbildlich, weil natürlich immer noch

00:45:10: vieles hätte besser laufen können, aber doch sehr gründlich, gerade dann im Gefolge von 68 in den

00:45:15: 70er Jahren und so. Das hat ja vergleichsweise in der DDR nicht stattgefunden, weil in der DDR

00:45:21: war die Schematisierung der andere. Ja, das heißt natürlich war man antifaschistisch, war man ja

00:45:26: schon immer gewesen, aber man hatte zum Teil ähnliche Methoden übernommen. Ja, man hatte sich,

00:45:32: ich meine die Leute, natürlich war es ein anderes Land, das hat keinen Holocaust gemacht, hat keine

00:45:37: anderen Länder überfallen, das ist auch ein ganz wichtiger Unterschied und trotzdem sahen die Stasi-Leute

00:45:42: mit ihren langen Ledermenteln in den 50er Jahren genauso aus wie die Gestapo-Leute und die Nationale

00:45:47: Volksarmee, die marschierte eben selben Stechstritt, wie vorher die Wehrmacht. Das heißt man war also

00:45:52: quasi in der Phänomenologie, ja, dem Dritten Reich deutlich ähnlicher geblieben, als die Bundesrepublik

00:45:58: das war und deswegen gab es zwar eine bestimmte Art der Aufarbeitung, aber eben eine andere Art von

00:46:03: Aufarbeitung, die das totalitären daran, die hat es eben nicht gegeben und ich finde das ist die

00:46:09: Hausaufgaben, die jeder machen muss. Da bin ich jetzt hier der der arrogante, wess ich der sage,

00:46:14: dieser Hausaufgaben muss. Was ist aber nicht arrogant ist ja, da würden die ja auch, das ist ja die gute

00:46:18: Nachricht, Richard. Wir reden immer über die 30 Prozent, aber in dem Zusammenhang würden die

00:46:24: wahrscheinlich 70 Prozent, die die nicht gewählt haben, dieses ganz erfölkische Denken, was du da

00:46:30: alles mitgeliefert kriegst, die würden dir wahrscheinlich alle zustimmen. Richard, spannend,

00:46:36: nächsten Wochen glaubt wird nicht das letzte mal gewesen sein, dass wir genau darüber reden.

00:46:41: Dank dir sehr und habt eine gute Woche. Ja, ich danke dir auch Markus. Bis bald. Bis bald, ciao.

00:46:46: Ciao, ciao. Eine Produktion von M-Pog 2 und Potsdars bei OMR im Auftrag des ZDF.

00:46:56: [Musik]

00:46:59: SWR 2020